Das Interview
«Ich mag es, wenn offensiv geschwungen wird»
Der zweifache Bergfestsieger und Festsieger am Kilchberger Schwinget, Damian Ott, blickt auf seine überragende Saison mit ihren verschiedenen Höhepunkten zurück, spricht über sein Verbesserungspotenzial, seine sportlichen Vorbilder und die nächsten Ziele.
Was für eine Saison liegt hinter Dir, Rang 2 in der Jahresbestenliste! Hast Du Dir selbst überhaupt eine solche Leistungsexplosion vorstellen können?
Es ist unglaublich, was in dieser Saison passiert ist. Dieser Durchbruch kam sicherlich auch für mich überraschend. Aber wir haben in der Corona-Pause sehr gut trainiert. Wir waren hungrig und haben uns gegenseitig gepusht. Wir sind im Kanton St. Gallen eine Gruppe von jungen Schwingern, die extrem gut zusammen trainiert hat. Wir pushen uns gegenseitig. Der erste Kranzfestsieg von meinem Kollegen Werner Schlegel am Appenzeller Kantonalen gab auch mir enorm viel Aufwind. Mit Werner Schlegel und Marcel Räbsamen haben zwei weitere Toggenburger in der vergangenen Saison sechs Kränze geholt. Dies ist auch ein grosser Erfolg für den Toggenburger Schwingverband. Köbi Roth und Urban Götte leisten wirklich hervorragende Arbeit. Schön, dass sich dies ausgezahlt hat.
Mit welchen Gefühlen bist Du nach der langen Corona-Pause in die neue Saison gestartet?
In erster Linie war ich froh, dass wir wieder schwingen durften. Die 1.5 Jahre Corona-Pause nach dem ESAF in Zug war doch sehr lang. Wir passten unser Training immer wieder den Coronaregeln an und mussten dabei auch eine gewisse Flexibilität beweisen.
In dieser Saison ist Dir früh in der Saison mit dem Sieg auf dem Weissenstein ein grosser Coup geglückt. Wie kam es dazu?
Das Ziel an jedem Schwingfest, auch vor Weissenstein und Schwarzsee, ist und war immer der Kranzgewinn. Ich will immer ein gutes Schwingfest zeigen und am Abend mit dem Gezeigten zufrieden sein. Wenn ich mein Ziel übertreffen kann, ist natürlich umso schöner. Ich bin an diesem Samstag mit einem relativ guten Gefühl aufgestanden und wusste, dass ich in guter Verfassung bin. Und dann ist es einfach sehr gut gelaufen. Ich konnte es erst gar nicht fassen, dass mir dieser Sieg gelungen ist.
Was hat der Kranzfestsieg auf dem Weissenstein in den Köpfen der Gegner ausgelöst?
Der eine oder andere schwingt nun ein wenig defensiver. Ich mag es, wenn offensiv geschwungen wird. Am schwierigsten ist es, wenn der Gegner einfach nur defensiv eingestellt ist und gar nicht schwingen will.
Am Berner Kantonalen in Aarberg hast Du im dritten Gang mit Christian Stucki gegen einen König geschwungen. Wie hast Du dies erlebt?
Es ist sicherlich eine Auszeichnung, dass ich im dritten Gang im Berner Kantonalen gegen den König greifen konnte. Das Fest hatte für mich mit zwei Siegen gegen den Eidgenossen Remo Käser und Konrad Steffen gut begonnen. Der Gang gegen Stucki ging dann zwar nach kurzer Zeit zu Ende. Aber ich kann aus solchen Begegnungen sicherlich viel mitnehmen. Einen Kranz am Berner Kantonalen gewinnt man zudem nicht alle Tage.
Dann kam der Sieg auf dem Schwarzsee, wo Du im Schlussgang Samuel Giger die erste Niederlage seit über zwei Jahren zugefügt hast. Der zweite Bergfestsieg – dies muss ein unglaubliches Gefühl gewesen sein, oder?
Es war unglaublich. Der Sieg am Schwarzsee war eine riesige Überwältigung für mich. Ich hätte nie mit diesem Sieg gerechnet. Es ist auch im Rückblick extrem schön und kaum in Worte zu fassen. Natürlich war auch der Sieg im Schlussgang gegen Samuel Giger speziell, weil er ein Teamkollege ist und wir uns als NOS-Team den Tagessieg als Ziel gesetzt haben. Bei der letzten Begegnung mit Samuel Giger endete der Kampf noch gestellt. Der Schlussgang am Schwarzsee begann sehr intensiv, ehe sich mir dann eine Chance eröffnete und ich mit Kurz und Nachdrücken am Boden den Kampf gewinnen konnte.
Dann folgte zum Saisonabschluss noch der Festsieg am Kilchberger Schwinget – mit Samuel Giger und Fabian Staudenmann.
Anfangs Saison war die Teilnahme am Kilchberger Schwinget das grosse Ziel. Als ich dieses erreicht hatte, versuchte ich den Wettkampf wie jeden anderen anzuschauen. Dass es dann bis an die Spitze reichte, war natürlich umso schöner. Ich hatte einige wirklich sehr strenge Gänge. Ich wurde sehr gefordert an diesem Fest. Anschliessend war ich einfach rundum zufrieden.
Du bist in Dreien auf einem Bauernhof aufgewachsen mit sieben weiteren Geschwistern. Eine Jugend und familiäres Umfeld, wie es heute selten geworden ist.
Ich bin sehr dankbar. Wir haben alle ein sehr enges Verhältnis miteinander. Ich durfte eine sehr schöne Jugend als Jüngster der Familie erleben. Ich wurde von meinen Geschwistern und Eltern im sportlichen Bereich wie auch im Alltag sehr unterstützt.
Wann hast Du mit Schwingen angefangen?
Mit sechs Jahren kam ich zum Schwingsport. Mein Bruder Raphael, der heute den elterlichen Hof führt, hatte damals ebenfalls geschwungen und er hatte mich zum Schwingsport gebracht. Am Schwingen fasziniert mich der Kampf Mann gegen Mann, die Kameradschaft und die Tradition.
Wann zeigte sich Dein Talent im Schwingsport ein erstes Mal?
Bei den Jungschwinger erkämpfte ich einige Festsiege. Den ersten Kranz gewann ich dann am St. Galler Kantonalen Schwingfest 2017. Ein Jahr später folgte dann der Teilverbandskranz am Nordostschweizer Schwingfest in Herisau. Meinen erster Festsieg bei den Aktiven erreichte ich 2019 am Sertig Schwinget in Davos. Am St. Galler Kantonalen Schwingfest 2019 durfte ich dann gegen Daniel Bösch den Schlussgang bestreiten.
Wie viel Zeit wendest Du für das Schwingtraining auf?
Der reine Trainingsaufwand beträgt rund 10 Stunden wöchentlich. Zweimal wöchentlich trainiere ich im Kraft- und Fitnessbereich, dreimal in der Woche bin ich im Schwingkeller. Mittlerweile habe ich mein Arbeitspensum als Zimmermann von 100% auf 90% reduziert, so dass ich mich noch stärker dem Schwingsport widmen kann. Ideal wäre für mich noch ein weiteres Training im Kraftbereich bei Robin Städler am Freitagmorgen.
Du hast es angesprochen. Du trainierst im Athletikbereich bei Robin Städler, der auch bereits Jörg Abderhalden betreut hat. Wie wichtig ist er für Dich?
Sehr wichtig. Da ich im Alter von 18 Jahren die Schwinghosen wegen ständiger Rückenprobleme fast an den Nagel hängen musste, war ich zu Änderungen in der Trainingsgestaltung gezwungen. Dank den Trainingseinheiten bei Robin Städler kann ich nun beschwerdefrei trainieren.
Welche Ziele im Schwingsport möchtest Du erreichen?
Ziel ist es, nächstes Jahr am ESAF in Pratteln einen eidgenössischen Kranz zu gewinnen. Langfristig ist möchte ich konstant gute Leistungen und Topresultate erzielen. Letztlich geht es aber auch darum, jedes Schwingfest unverletzt und zufrieden zu beenden.
Wo siehst Du noch das grösste Verbesserungspotenzial?
Mein grösstes Verbesserungspotenzial liegt im physischen Bereich. Da gilt es, an Gewicht zuzulegen und Muskeln aufzubauen. 110 Kilo wären für mich ideal. Dann geht es aber auch darum, im mentalen Bereich an Stärke zu gewinnen.
Was fehlt Dir noch im Vergleich mit Schwingern wie Samuel Giger?
Kraftmässig bin ich meistens unterlegen. Auch im mentalen Bereich kann ich sicherlich noch zulegen. Da braucht es einfach auch eine gewisse Erfahrung. Was die Technik und Ausdauer betrifft, kann ich mit den meisten Schwingern mithalten. Was mir fehlt, ist noch ein wenig die Konstanz. Dies würde ich als vielleicht grösstes Defizit bezeichnen.
Mit beinahe 10 Stunden pro Woche reiner Trainingszeit, ohne Anreise, ist der zeitliche Aufwand bereits beträchtlich. Planst Du Dein Arbeitspensum weiter zu senken, um Dich noch stärker auf den Schwingsport konzentrieren zu können?
Ich arbeite derzeit 90%. Ich habe mein Arbeitspensum in diesem Jahr bereits ein wenig reduziert. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ich in Absprache mit meinem Arbeitgeber im Hinblick auf das ESAF 2022 mein Arbeitspensum noch einmal reduzieren werde, um mehr Zeit für das Training und die Regeneration zu haben.
Welches sind Deine sportlichen Vorbilder?
Meine sportlichen Vorbilder sind Dani Bösch und Samuel Giger. Dani gehörte im Schwingklub Wil zu meinen wichtigsten Lehrmeistern. Egal, was ich ihn gefragt habe – ich habe von ihm immer eine gute Antwort erhalten.
Weshalb gibt es auf einmal so viele Talente im Nordostschweizer Schwingverband?
Wir haben einen sehr guten Zusammenhalt im Verband, der mit jedem Erfolg noch stärker wird. Dies ist das Resultat davon, dass wir uns bei jedem Schwingfest sehr unterstützen. Die starken Trainingsgruppen mit den vielen Talenten führen dazu, dass sich die Gruppen gegenseitig pushen, von diesem Konkurrenzkampf profitieren alle Schwinger und letztlich auch der Verband.
Du hast dies Schwingsaison 2021 hinter Samuel Giger auf Rang 2 der Jahresbestenliste beendet. Mit was für einem Gefühl gehst Du nun in das Training im Winter?
Es war wirklich eine unglaubliche Saison. Diese mit dem Festsieg am Kilchberger Schwinget abzuschliessen, war gewissermassen noch die Krönung. Das Eidgenössische 2022 in Pratteln ist sicher das grosse Ziel. Wir wollen da gut abschliessen. Wir werden nun über den gesamten Winter gut trainieren. Wir geben Gas, wie stets zuvor. Denn wir wollen besser werden, wir wollen immer besser werden. Was dann nächstes Jahr rauskommt, sehen wir im Frühling und über die ganze Saison verteilt.